Mittwoch, 25. Februar 2009

And if I only could, Make a deal with God

meins gegen deins

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Immer an diesen Tagen kommt die Erinnerung, immer diese Fragen wieso, weshalb, warum.

Dein Herz es brennt, Deine Seele weint Du fühlst dich allein...

Manchmal wünsche ich mir ich könnte die Zeit einfach zurückdrehen, mit dir noch einmal lachen dich einfach
wiedersehen.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Frankfurter Rundschau 3.2.09

Vom Taxi überrollt / Tödliche Hilfsbereitschaft von Felix Helbig



Vom Schlafzimmerfenster aus kann der Vater die Stelle
sehen, an der sie auf seinen Sohn einschlugen, die
Stelle, an der sie ihn liegen ließen, die Stelle, an
der ein Taxi um die Ecke bog und über ihn fuhr. Nur
wenige Meter sind es vom Haus der Saremis bis zu jener
Stelle, bis zu dem großen Baum an der Promenadenstraße,
an dem heute eine Säule aus Spanplatten daran erinnert,
was in der Nacht des 28. September 2008 geschehen ist.
Fabian Salar Saremi wollte helfen in dieser Nacht. Er
wollte mutig sein. Dann war er tot.

Faribourz Saremi, 67, hat die Vorhänge zugezogen am
Schlafzimmerfenster. Sein Sohn sei ein Zartoscht
gewesen, sagt er, ein Anhänger der Lehren Zarathustras:
gute Gedanken, gute Worte, gute Taten. "Wir
bekommen nicht zurück, was Salar gegeben hat",
sagt er. "Alle wissen, dass nichts passieren
wird."

Am Abend des 27. September 2008 lässt sich Fabian Salar
Saremi, 29, von seinem Freund Christian G., 26,
überreden, ins "Fantasy" zu gehen, in die
Disco beim großen Baum an der Bensheimer
Promenadenstraße. Ein Türsteher kontrolliert die Gäste,
hinter ihm führt eine schmale Treppe hinab in die
Keller-Diskothek. Saremi und G. bestellen Drinks,
unterhalten sich. Über die Schulter seines Freundes
beobachtet Saremi vier Männer, die an der Theke ein
junges Mädchen belästigen. Er mischt sich ein.

Sie haben jetzt einen Verein in Bensheim gegründet. Er
trägt den Namen des Erschlagenen. Damit nicht stirbt,
wofür er sich eingesetzt hat: ein gewaltfreies
Miteinander. Im Polizeibericht wird es heißen, an
diesem frühen Sonntagmorgen sei es in der Bensheimer
Innenstadt zu einer Schlägerei gekommen, in deren Folge
ein 29-Jähriger von einem Taxi überrollt wurde. Drei
flüchtige Tatverdächtige habe die Polizei bei der
Fahndung festnehmen können.

Was genau geschah in dieser Nacht, ist bis heute
unklar. Fest steht, dass der Türsteher alle Beteiligten
raus schmeißt. Fest steht, dass die Polizei später in
dieser Nacht die richtigen Zeugen gehen lassen und die
falschen Täter festnehmen wird. Fest steht, dass
niemand hilft. Fabian Salar Saremi wird vor dem
"Fantasy" verprügelt, so brutal, dass er
bewusstlos mitten auf der Straße liegen bleibt, wo ihn
ein Taxi überfährt.

Mit schweren inneren Verletzungen wird der einzige Sohn
der Saremis ins Krankenhaus gebracht. Vier Wochen lang
liegt er im Koma. Am 25. Oktober stirbt Fabian Salar
Saremi.

In den vier Wochen zwischen der Tat und dem Tod Salars
versucht die Familie Saremi das Verbrechen aufzuklären.
Sie hat das Gefühl, die Polizei tue zu wenig. Also
beginnt Tochter Salomé Saremi selbst die Recherche. Sie
findet heraus, wer die vermutlichen Täter sind, sie
stellt fest, dass es eine Überwachungskamera gibt am
Eingang des "Fantasy", deren Bänder
verschwunden sind. Ihre Erkenntnisse teilt sie der
Polizei mit, per E-Mail. Einer der Beamten, sagt sie,
habe ihr bedeutet, sich nicht verrückt zu machen, sie
würden sich schon kümmern. Salomé Saremi macht sich
verrückt. Es geht um ihren Bruder. Die Saremis
organisieren eine Gedenkveranstaltung, auf der der
Bürgermeister sagt, er könne die Familie verstehen, vor
kurzem sei sein Großvater gestorben. Die Saremis bauen
aus alten Spanplatten die provisorische Säule, als
Mahnmal; das Stadtparlament beschließt eine Resolution
gegen Gewalt in Bensheim. Getan werde nichts, sagt
Salomé Saremi, an fast jedem Wochenende gebe es
Schlägereien, immer irgendwo zwischen dem Haus der
Saremis und dem großen Baum an der Promenadenstraße.
Man könne zusehen, vom Schlafzimmerfenster aus.

Der Vater verliert seinen Sohn. Und: Ein Widerspruch
lastet auf seinem Glauben, auf diesem einfachen
Grundsatz mit den guten Gedanken, guten Worten, guten
Taten, auf seinem Vertrauen in das Gute dieses kleinen
Städtchens an der Bergstraße.

Faribourz Saremi ist vor 47 Jahren aus Persien nach
Deutschland gekommen. Er studiert in Frankfurt und
gründet in Bensheim eine Familie. Saremi arbeitet
anfangs beim Hessischen Rundfunk als Kameramann, die
Kollegen dort rufen ihn Fabian. Er zieht eine Tochter
und einen Sohn groß, lässt sie studieren, ist stolz,
dass sie Arbeit finden. Den Sohn nennt er Fabian.
Faribourz Saremi eröffnet ein Restaurant ins Bensheim,
später ein Teppichgeschäft.

Wenn er die kurze Strecke von seiner Wohnung hinüber
zum Mahnmal geht, dann grüßt ihn der Postbote, winkt
ein Handwerker aus seinem Lieferwagen. Doch das
Vertrauen in dieses Städtchen, in das Land, das er vor
fast 50 Jahren seinem Heimatland vorzog, wegen der
besseren Möglichkeiten, wie er sagt, dieses Vertrauen
ist weg.

Die Anteilnahme, sagt Faribourz Saremi, sei
überwältigend gewesen. "Gleichzeitig aber haben
mir alle bestätigt, dass nichts passieren wird, dass
die Täter damit durchkommen", sagt er. Es
schockiert Vater Saremi, dass es keine Gerechtigkeit zu
geben scheint, dass keine Lehren gezogen werden aus dem
Tod eines jungen Mannes, der nur helfen wollte, dem Tod
seines Sohnes. Es schockiert ihn auch, dass niemand
etwas tut und alle überzeugt davon sind, dass niemand
etwas tun wird.

Die Polizei lässt drei Tatverdächtige wenige Tage nach
der nächtlichen Festnahme wieder frei; sie sind es
nicht gewesen. Vier Wochen später haben Salomé Saremi
und die Polizei die mutmaßlichen Täter ermittelt, drei
Brüder und der Sohn des ältesten. Der mittlere Bruder
kommt gegen Kaution frei, gegen die anderen Männer
lägen keine Haftgründe vor, heißt es beim
Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt.

Wie Fabian Salar Saremi unter das Taxi geraten ist,
bleibt bis heute unklar. Christian G. ist von den
Männern verjagt worden, ehe sie begannen, auf Saremi
einzuprügeln. Der Disco-Betreiber Armin S. gibt an, die
Täter nicht zu kennen, andere sagen, sie seien
Stammgäste gewesen. Die Überwachungskamera bleibt ein
Rätsel. Das Handy des Toten ist verschwunden.

Die Polizei wird erst wieder tätig, als Saremi schon
tot ist. "Aufgrund der tragischen
Entwicklung" erfolge in dem Fall "nun eine
neue Gesamtwürdigung", teilt die Polizei am 28.
Oktober mit. Mehr als zwei Monate später erklärt die
Staatsanwaltschaft Darmstadt, die Polizei habe ihre
Ermittlungen nunmehr abgeschlossen. Derzeit werde noch
ein Gutachten erstellt zur Beteiligung des Taxifahrers,
zudem würden die DNA-Spuren der vier Tatverdächtigen
untersucht, erklärt ein Sprecher der
Staatsanwaltschaft: "Mehr können wir im laufenden
Vorgang nicht sagen." Bislang läuft lediglich ein
Verfahren, es richtet sich ausgerechnet gegen den
Freund von Fabian Salar Saremi, gegen Christian G. Er
hatte nach seiner Rückkehr zum Tatort den Taxifahrer
geschlagen, weil dieser nicht aussteigen wollte. Obwohl
ein Mensch unter seinem Wagen klemmte.

Auf dem Weg zum Mahnmal für diese Nacht, in der
scheinbar niemand das Richtige getan hat, auf dem Weg
erzählt Faribourz Saremi, wie sein Sohn, der Zartoscht,
einmal Schuhe kaufen wollte mit einem Freund, ziemlich
schicke Schuhe seien das gewesen. Der Freund sei ein
wenig neidisch geworden, weil er sich so schicke Schuhe
nicht habe leisten können. Also habe Fabian ihn
gebeten, sie auch einmal anzuprobieren. Und einfach
beide Paare gekauft. Obwohl er sich das auch nicht
wirklich habe leisten können.

Vor einer Woche haben 70 Menschen in der Stadt Bensheim
den Verein "Salars Erbe" gegründet. Die
Mitglieder wollen sich für ein gewaltfreies Miteinander
einsetzen und die Erinnerung an Fabian Salar Saremi
aufrechterhalten. "Weil er ein guter Mensch
war", sagt sein Vater. "Weil er das wirklich
gelebt hat. Wie niemand sonst."

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